Synergie in der Feldkapelle

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Liebfrauenkapelle

Von Simone Venderbosch

„Gesegnet bist du, Pilger, wenn dir die Worte fehlen, um dankbar zu sein für alles, was dich an jeder Ecke des Jakobsweges überrascht.“

Eine wichtige Facette meiner Wanderungen ist die Suche nach Tiefe. Wenn ich gehe, mache ich nicht nur Schritte mit den Füßen oder im Kopf, sondern ich mache auch Schritte auf einer anderen Ebene. Durch einfache Handlungen suche ich nach Möglichkeiten, einen Moment zu verstärken, Eindrücke zu verarbeiten oder einfach für einen Moment still zu stehen. Nennen Sie mich einen Romantiker, Analytiker oder Träumer, aber für mich ist das Gehen untrennbar mit persönlichem Wachstum und Vertiefung verbunden. Es kommt von selbst. Jeder Spaziergang erteilt mir eine Lektion und bereichert mich.

Diese Tiefe finde ich nicht nur in den Erfahrungen, die ich während meiner Wanderungen sammle und den Erkenntnissen, die ich dadurch gewinne. Bei der Verarbeitung und Einbettung dieser Erfahrungen suche ich Unterstützung durch Rituale, Musik und Schrift. Für mich sind das drei feste Bestandteile meiner Wanderungen. Das ist langsam gewachsen. An meinen ersten Wanderwochenenden war ich mit der Logistik und all den Eindrücken so beschäftigt, dass ich den Tag vor allem abends aufschreiben musste. Der Weg der Weisheit bot mir später viele Gelegenheiten, unterwegs verschiedene Rituale durchzuführen. Später fand ich meine eigenen Rituale, um Momente zu verstärken.

Einer der schönsten Momente der Synergie, die ich erlebt habe, war, als ich mich auf halbem Weg des Weges der Weisheit in der Feldkapelle niederließ. Es war der siebte Tag meiner Wanderung. Ich hatte damals viel zu verarbeiten und hatte in dieser Hinsicht schon eine ziemliche Reise hinter mir.

Es ist ein ruhiger Tag heute. Die Natur rauscht leise auf meinem Weg entlang und meine Glocke läutet süß auf der Rückseite meines Rucksacks. Ich fühle mich ruhig und schüchtern und gehe in einem angenehmen Rhythmus. Introvertiert laufe ich die ersten Kilometer weg und komme dann zu einer Kapelle Unserer Lieben Frau. Es handelt sich um eine kleine, aber gut erhaltene Feldkapelle. Laut meinem Routenheft hast du an dieser Stelle die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Es ist still und eine warme, sanfte Brise weht in die Kapelle. In der Stille zünde ich eine Kerze an und suche mir einen schönen Platz, wo ich sie auf den Altar in der Nähe der Marienstatue stellen kann.

Ich starre einen Moment in die Flammen und schaue zur Marienstatue hinauf. Eine Ruhe überkommt mich, die mich berührt und für eine Weile stehe ich regungslos da und es ist einfach eine Weile gar nichts. Es kommt mir vor, als wäre ich für eine Weile ganz allein auf der Welt. Nach einer Weile setze ich mich in die Kirchenbank, die mit dem Rücken zur Wand steht. Mir gegenüber befindet sich ein Buntglasfenster, durch das das Licht fällt. Unter dem Fenster befindet sich ein Tisch. Mein Blick fällt auf den Aufkleber des Weges der Weisheit mit dem Symbol des Pilgers, dem Zeichen, mit dem ich so vertraut geworden bin. Der Aufkleber befindet sich auf einem Logbuch für Pilger. Mit dem Buch in der Hand setze ich mich wieder hin und lese die Geschichten all derer, die vor mir gegangen sind. Wie schön, die Geschichten anderer zu lesen. Auch ein guter Moment für mich, um darüber nachzudenken, was mir die Reise bisher gebracht hat und ich versuche das zusammenzufassen und in Worte zu fassen.

Ich sehe, wie sich meine Hand bewegt, während die Worte aus meinen Fingern fließen. Ich schaue mir an, was ich geschrieben habe, und lächle zufrieden. Jetzt ist es da, auf dem Papier. Es ist sehr greifbar. Als ich aufschaue und mich bereit mache, wieder aufzustehen, sehe ich, dass Mary zu meinen Füßen lag, während ich schrieb. Immerhin schienen die Sonnenstrahlen durch das Buntglasfenster mit dem Marienbild, das sich direkt vor meinen Füßen auf dem Natursteinboden spiegelte. Ich sehe auch, dass Maria auf dem Altar mit der Hand auf meine Kerze zeigt. Wow, wie schön das ist! Als ich den ruhigen Ort verlasse, tue ich dies langsam und nachdenklich, dankbar für diesen schönen Moment. Ich lächle wieder, als ich mich umdrehe und einen letzten Blick auf meine brennende Kerze werfe. Eine Träne rollt mir über die Wange, als ich langsam den Türrahmen loslasse und mich wieder auf den Weg mache.

Zu anderen Zeiten finde ich Kraft im Musikhören. Ein schönes Lied kann mir durch schwierige Momente helfen. Wenn man viel allein ist, vermisst man manchmal den Trost des Armes um sich, das gemeinsame Lachen oder einfach nur ein Ventil. Zum Beispiel singe ich bei meinen Wanderungen manchmal unter der Dusche auf dem Campingplatz, wenn ich denke, dass ich alleine bin, ich hüpfe durchs Feld, wenn ich denke, dass mich niemand sieht, ich trommele zur Musik oder lasse mich von einem Lied mitreißen. Es ist eine Erleichterung. Und ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der das tut.

Neulich ging ich auf einem Pfad entlang eines Baches, der parallel zu einem Feldweg verlief. In der Ferne hörte ich fröhliche Töne von jemandem pfeifen, gefolgt von einer leisen Stimme, die ein schönes Lied sang. Es hat mich sehr gefreut, wie wunderbar das war. Als der Ton näher kam, sah ich, dass der Sänger ein alter Mann auf einem Fahrrad war. Er entschuldigte sich, als er mich sah. „Nein, weiter, hört sich gut an!“, rief ich dem Mann hinterher, als er weiterradelte. Er hat mir den Tag versüßt. Ich hoffe, dass jemand, der mich singen oder geschwänzt hat, seinen oder ihren Tag ein wenig lustiger gemacht hat. Dass ich für einen Funken Synergie gesorgt habe.

Wer bin ich?
Ich liebe es zu wandern und zu schreiben. Meine Wandergeschichten sind persönlich, einfach und anschaulich. Mal tiefgründig, mal mit einem Körnchen Salz. So wie ich bin.

Foto: Simone Venderbosch